Ein bekanntes Musikmagazin suchte kürzlich einen neuen Volontär. „Du brennst für Musik, steckst dein ganzes Geld in Platten, verbringst deine Abende auf Konzerten und deine Wochenenden auf Festivals?“, lautete die forsche Frage zu Beginn der Anzeige. „Ja, und das macht es mir leider unmöglich, tagsüber auch noch als Volontär zu buckeln“, müssten Menschen, auf die das Profil zutrifft, eigentlich ehrlicherweise antworten.
Aber wer ist im Arbeitsleben schon ehrlich? Man braucht ja das Geld. Und die Gegenseite sagt schließlich auch nicht, was sie wirklich meint. Es wäre doch reichlich naiv, wenn die Leute aus den Personalabteilungen tatsächlich glaubten, dass junge Menschen, die für Musik brennen, auch ein brennendes Interesse an Musikjournalismus haben müssten. Darauf lief der Inhalt der Anzeige aber letztlich hinaus.
Sicherlich sind die nicht so naiv. Die meinen das bestimmt gar nicht so mit dem Brennen. Die wollen wahrscheinlich nur, dass ausschließlich Leute antworten, die etwas Eigenmotivation mitbringen. Ach, nicht mal: Die sind bestimmt schon froh, wenn der Volontär nicht zu sehr stört und halbwegs funktioniert.
Also: Thema erledigt? Für mich nicht. Ich störe mich einfach an dieser Brenn-Metapher, die man neben ähnlich dämlichen Superlativen regelmäßig in Stellenangeboten liest. „Herr Grimm, Sie dürfen nicht alles so wörtlich nehmen“, höre ich innerlich die Stimme einer Freundin, die mich gerne siezt, weil das die Ironie so schön unterstreicht. Ich weiß, dass sie Recht hat. Aber ich empfinde trotzdem Unbehagen beim Lesen solcher Anzeigentexte. Nicht nur, weil die Formulierungen so abgeschmackt und ausgelutscht sind. Nein, es geht auch darum, dass ich diese ganze Annoncen-„Schreibe“ als ziemlich anmaßend empfinde.
Ein Volontariat im Musik-Journalismus hätte ich vor 20 Jahren wahrscheinlich gerne gemacht. Eine Formulierung wie „Ich brenne auf diese Herausforderung!“ wäre aber auch damals sicher nicht über meine Lippen gekommen. Ich brenne nicht! Ich interessiere mich sehr für Musik. Ich brenne CDs. Aber ich selbst brenne nicht. Brennende Menschen laufen immer so aufgeregt herum. Ich bin eher gemütlich. Vielleicht würde ich Whiskey brennen, wenn es in Deutschland eine Alkoholprohibition gäbe.
Mich nerven die maßlos übertriebenen Motivationserwartungen, mit denen Jobsuchende in Stellenangeboten konfrontiert werden. Ich will partout nicht über das Stöckchen springen, das sie mir hinhalten, wenn sie fragen, ob ich denn auch wirklich für die Sache brenne. Ich will ein klares Geschäft: guter Lohn gegen gute Arbeit. Wenn ich mich abschufte, will ich dabei nicht auch noch „Hurra“ schreien.
Ich will keine komplette Hingabe an ein Unternehmen. Ich bin mehr als meine Arbeit. Mag sein, dass andere Menschen anders fühlen. Ob sich jemand total mit seinem Job identifiziert oder nur so tut als ob, weiß am Ende nur das Individuum. Aber viel zu Viele, die brennen wollten, sind am Ende ausgebrannt.
© 2017 Roland Grimm